Beschwerden und ihre Ursachen – Beispiel Achillessehne

In unserer Laufanalyse ist mir eine gründliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) sehr wichtig. Manch Läufer wundert sich wohl, wenn er als Problem die Achillessehne angibt und ich frage nach eventuell stattgefundenen Operationen im Unterleibs-Bereich. Das hat seinen Sinn, da unser Körper eine grosse Funktionseinheit ist, in der sich nichts grundsätzliches verändern kann ohne Folgen nach sich zu ziehen. In der aktuellen Ausgabe der „osteopathie“ 1/2019 des Verbandes der Osteopathen Deutschlands habe ich dazu ein gutes Fallbeispiel gefunden.

Funktionsketten werden zu Läsionsketten

Peter Ringeisen beschreibt darin den Fall eines ambitionierten Läufers und Triathleten. Nach einem Marathonlauf verspürte er erstmalig Beschwerden an der rechten Achillessehne. Die Schmerzen waren direkt oberhalb der rechten Ferse lokalisiert und traten bei jeder Belastung auf, um dann bis zu zwei Tagen anzuhalten. Die wohlbekannte Reise vom Orthopäden zum Physiotherapeuten, zurück zur orthopädischen Cortisoninjektion und danach zum Orthopädiemechniker endeten mit Spezialeinlagen in den Laufschuhen. Eine echte, anhaltende Besserung trat trotz aller therapeutischer Ansätze nicht auf.

Ursachenforschung in der Osteopathie

Der Sportler kam schliesslich zur osteopathischen Behandlung. In der Anamnese kam eine lang zurückliegende Knieverletzung links zur Sprache, deren operative Versorgung ebenfalls schon Jahre her war. Und doch fand sich hier die Ursache der aktuellen Beschwerden an der Achillessehne. Eine statische Veränderung im Knie brachte eine gewisse Instabilität und Achsabweichung des linken Beines. In der Untersuchung zeigt sich eine Läsionskette: ausgehend von der Achillessehne rechts über die Verkettung von Muskeln, Faszien und Gelenken aufsteigend in die Beckenregion und von dort wieder absteigend ins linke Bein. Die Funktionskette hatte über Jahre eine Art Provisorium aufgebaut, um die statische Veränderung der linken Beinachse zu kompensieren. Vereinfacht führt eine Blockade der Faszie am linken äusseren Oberschenkel zu einer Verwringung des Beckens und im weiteren zur Innenrotaion der rechten Beines und übermässigen Spannung der Wadenmuskulatur. Am Ende der Wadenmuskulatur hängt als letztes Glied die Achillessehne. Mit dem Marathon war die Kompensationsgrenze erreicht und die Beschwerden da.

Funktionsketten

Therapeutisch wurde die gesamte Funktionskette nach Fehlfunktionen untersucht, Blockaden gelöst und so die Statik im linken Bein wieder hergestellt. Die Überspannung der Muskulatur rechts konnte so gelöst und die Probleme beseitigt werden. Nach einigen osteopathischen Behandlungen waren die Beschwerden komplett verschwunden. Einlegesohlen waren nicht mehr nötig. Und der Sportler konnte seinen Sport schmerzfrei und erfolgreich wieder aufnehmen.

Ein schöner Fallbericht, der mir wieder zeigt, wie wichtig eine eingehende Anamnese ist. Die Probleme liegen nicht immer dort, wo die Beschwerden lokalisiert sind. Eine Anamnese kostet Zeit, aber die nehme ich mir in unserer Analyse gerne.

Barbara - Foto: Klaus Lang 2018

Barbara ist einer der Köpfe bei laufSinn. Hier kann sie ihre Begeisterung und Erfahrung im Sport mit ihrem Wissen als Sportmedizinerin vereinen. Lieblingsthema ist neben „klugsch***“ über Biomechanik beim Laufen ist definitiv ihr Lieblingssport SwimRun.