Sonne, Schweiss und Hagel

Das Rennformat

Der OMM Alps Lenzerheide überrascht uns von Anfang an. Statt wie erwartet in Lenzerheide zu starten, werden wir erst mal mit der Bahn  auf den West-Gipfel des Parpaner Rothorns geshuttelt. Der Start ist also schon mal auf knapp 2800 Meter über dem Meer. 80 Teams sind am Start auf vier verschiedenen Formaten. A- bzw. B-Course – das heisst Punkt für Punkt nach Vorgabe anlaufen in zwei verschiedenen Längen. Und der Short- und Longscore – beliebig viele vorgegebene Punkte in einer vorgegebenen Zeit finden. Je nach Entfernung und benötigter Umwege gibt es unterschiedlich hohe Punktwerte. Und wer am meisten Punkte sammelt, hat gewonnen. Wir haben uns auf den Longscore gemeldet und haben heute somit 7 Stunden Zeit, um am Übernachtungscamp anzukommen. Wenn wir überziehen, werden Punkte abgezogen.

Los geht’s

Jetzt stehen alle Teams an der Bergstation der Rothornbahn. Etwas weiter unten ist das Startareal. Alle 2 Minuten wird ein 2er Team auf den Weg geschickt. Und um 10:32 Uhr sind wir dran. Wir loggen unsere SI-Card ein und bekommen unsere Score Karte in die Hände gedrückt. Die grobe Richtung ist klar, also laufen wir erst mal 50 Meter bis zur nächsten Anhöhe und nehmen uns Zeit, die Karte mit der Landschaft abzugleichen und eine mögliche grobe Route zu finden. Was liegt auf dem Weg zum Camp, wie weit ist es bis dort? Wo ist das Camp überhaupt? Wieviel Zeit bleibt uns dann noch zum sammeln und was ist definitiv zu weit weg? Oder zu hoch? Auf der Racekarte gibt es keine Namen, keine Höhenangaben. Nur Höhenlinien, Wasserläufe und natürlich Strassen, Wege, Seilbahnen usw… Der nächstgelegene Punkt bringt gerade mal 10 Punkte und liegt am gegenüberliegenden Hang. Puhh.. Nö, den lassen wir doch gleich mal weg. Der nächste ist einfach an einer Wegkreuzung zu finden. Also los.

Zerstreuung

An dem Punkt finden sich die meisten der Teams ein, danach beginnt offensichtlich die große Diversifikation. Einige wenige Teams nehmen von hier die Piste, die ins Tal der Lenzerheide führt. Die meisten hangeln sich aber auf dem Höhenweg Richtung Arosa, wir hingegen nehmen den tiefergelegenen Weg am Bachlauf. Ein superflowiger Trail und – da bergab – auch in dieser Höhe ganz gut laufbar. Schnell kommen die ersten einfachen Checkpoints auf uns zu und werden abgehakt. Das macht Spaß.

Die ersten Entscheidungen

Dann stehen wir auch schon vor den ersten größeren Entscheidungen des OMM Alps Lenzerheide. Wieviel trauen wir uns zu? Weiter dem Wasserlauf folgen? Das heisst später aber um einen ordentlichen Felsblock aussenrum zum Camp, dabei noch einiges mehr an Höhenmeter mitnehmen? Wie lange brauchen wir dafür? 2 Stunden? Wir müssen  aber noch zum Hörnligrat hoch, nach Parpan runter und auf der anderen Talseite zur Heidbüel Bergstation hoch… Das schaffen wir kaum, also werden die Punkte ausgelassen und wir machen uns gleich Richtung Hörnlihütte auf. Im Anstieg nehmen wir noch einen Checkpoint mit, dann kommt erst mal ein zäher, steiler Hatscher bergauf. Oben am Grat laufen die meisten Teams bergab zum See, um die beiden nächsten Checkpoints von unten zu sammeln. Wir hingegen bleiben auf halber Höhe und queren dann ein grobes Geröllfeld und kommen von oben. Gar nicht schlecht. Dann entscheiden wir uns gegen den nächsten etwas höhergelegenen Checkpoint und machen uns gleich auf zum Urdenfürggli  (dem Übergang am Parpaner Weisshorn).

Falsche Wahl

Nach dem Urdenfüggli versuchen wir gleich nochmal durch elegante Routenwahl Höhenmeter zu sparen. Wir queren also, anstatt auf der Fahrstrasse deutlich tiefer zu laufen, eine Grasmulde und shreddern eine Schuttreisse runter, um dann auf einen von oben einsehbaren Zufahrtsweg zum Skilift zu kommen. Der entpuppt sich aber als extrem grober Weg und ist kaum zu laufen. Auch war der Abstieg in der Schuttreisse mit Rucksack doch ziemlich anstrengend. Wir finden zu einem herrlichen Wanderweg, der sich letztendlich aber als ziemlich neuer Flowtrail für Mountainbiker entpuppt und deshalb auch noch nicht auf der Karte eingezeichnet ist. Ergebnis, wir kommen zu weit oberhalb zu den nächsten Checkpoints. Den nächsten, den wir finden, sollte hier laut unserer Karte gar nicht sein. Wir vergessen, die Beschriftung zu kontrollieren und merken deshalb unseren Fehler nicht. Er gehört zu einem anderen Kurs und bringt unsere Orientierung ordentlich durcheinander. So verlieren wir auf der Suche nach dem nächsten Checkpoint sehr viel Zeit und müssen dazu noch direkt über einen steilen Wiesen-Heidelbeerhang absteigen. Wie gewonnen so zeronnen…

Hagelüberraschung

Das Wetter ist lang nicht mehr so sonnig wie zum Beginn des Rennens und erste Regentropfen fallen. Da es immer noch warm ist und es nur sehr leicht regnet, verzichte ich erst mal auf die Regenkleidung. Zwei Minuten später bin ich klatschnaß, aber noch recht guter Dinge. Dann geht’s jedoch richtig los. Von „die Tropfen sind ganz schön groß“ bis zu “ AUA – das tut weh“ vergehen keine weiteren zwei Minuten. Wir sind mitten in einem Hagelsturm. Weit und breit kein Unterstand auszumachen. Wir retten uns bis zum nächsten Absatz und gehen an der Geländekante in Deckung. Die Isomatte schützt gegen die Einschläge der Hagelkörner. Dazu kommt jetzt noch der eine oder andere Blitz. Die andere Talseite liegt in der Sonne. Hmm… ob das die letzte Überraschung des OMM Alps Lenzerheide bleibt?

Auf zum Camp

Nach gut einer halben Stunde lässt das Wetter etwas nach und ich ziehe mir ein trockenes Shirt und die Regenjacke an. Puhh – hat das abgekühlt. Jetzt ist auch nicht mehr allzuviel Zeit übrig und ich bin schon völlig steif beim Laufen. Wir gehen jetzt strikt zum Camp, was noch einiges an Zeit in Anspruch nimmt. Erst mal ins Tal runter und auf der anderen Seite wieder hoch. Zum Glück liegen die verbliebenen Checkpunkte alle mehr oder weniger direkt am Weg. Im Zeitfenster unserer sieben Stunden erreichen wir das Overnight Camp an der Station Heidbüel. Im leichten Tröpfeln werden die Zelte aufgebaut und jedes Team kocht sich sein Abendessen. Müde sind alle bald in den Zelten verschwunden.

Positive Höhenmeter und Gestrüpp

Die Nacht im Zelt auf 1900 Meter (Station Heidbüel) war nicht sonderlich  erholsam. Die Isomatte muss das nächste Mal doch deutlich komfortabler ausfallen – egal, was sie wiegt!

Der OMM Alps Lenzerheide überrascht uns wieder – um 5:00 Uhr morgens mit einem Alphorn Weckruf. Uff… naja wir müssen eh so langsam raus, da wir um 6:08 bereits starten sollen. Also Brenner an und erst mal einen löslichen Kaffe gebraut. Das Restwasser verwenden wir gleich für ein Porridge. Dann packen, Zelt abbauen verstauen und an den Start. Das geht doch erstaunlich schnell. In Anbetracht der noch recht frischen Temperaturen starte ich erst mal in der Regenkombi.

Enges Zeitfenster

Aufgrund der beginnenden Jagdsaison müssen alle Teams spätestens um 14:00 im Tal sein. Deshalb der sehr frühe Start und eine viel engere Starttaktung als am Vortag. Das führt zu lustigen Bildern. 5-6 Teams stehen auf den ersten 10 Metern nach dem Start mit Stirnlampen rum und versuchen die Karten zu interpretieren und eine Route zu finden. Auch wir. Ich will erst mal den „nahegelegenen“ 40 Punkte Checkpoint anlaufen, übersehe dabei aber doch einige Höhenlinien. So benötigen wir dann fast eine Stunde bis zu diesem Punkt. Die meisten Teams finden sich dort oben wieder zusammen. Aus allen Richtungen kommen Teams, in alle Richtungen laufen Teams. Es ist völlig unklar, ob die den Punkt schon gefunden haben oder noch suchen oder ganz einen anderen anlaufen. Sehr lustig.

Höhenmeter satt

Barbara will danach die auf der abgelegenen Seite des Bergrückens gelegenen Punkte anvisieren, um im Anschluss die Stationen Richtung Ziel in Lenzerheide abzuarbeiten. Da wir aber nicht alles wieder runter und dann wieder rauf wollen, versuchen wir „wild“ zu queren. An der nächsten Kante halten wir erst mal inne und sehen uns den strammen Abstieg an, ohjee, das wird anstrengend. Also zählen wir doch lieber erst mal die Quadranten auf der Karte ab und erkennen recht schnell – viel zu weit für uns. Das wird nichts. Planänderung. Doch auf dieser Seite bleiben, dafür aber alle hier verbleibenden Checkpoints anlaufen. Der nächste Punkt ist auf dem Gipfel des Stätzerhorns. 2574 Meter über dem Meer. Uff…

Und wieder Planänderung

Oben angekommen verwerfen wir den schon geänderten Plan, am Grat entlang erst den wertigsten Checkpoint und dann die anderen einzusammeln, ein weiteres Mal.  Der Grat sieht bärig aus – also kümmern wir uns lieber gleich mal um den Rest. Etwas runter und dann quer am Hang entlang die einzelnen Checkpoints mitnehmen. Das heisst aber querbeet. Auf tiefen Kuhtritten zwischen Rauschbeeren und Gestrüpp durch Löcher und ähh – jedenfalls anstrengend… Wir sammeln und punkten vor uns hin und bewegen uns Richtung Ziel: Lenzerheide. Anscheinend kommen wir aber doch trotz einiger Sucherei zügig voran und stehen vor der Wahl. Den entfernteren 50 Punkte Checkpoint von unten doch noch anlaufen und danach erst die restlichen nach Lenzerheide einsammeln? Nach Kartenstudium und Zeitabwägen gehen wir das an.

Der OMM Alps Lenzerheide

Das beschert uns einen weiteren ordentlichen Anstieg. Allerdings recht bequem und schon etwas seltsam anmutend auf einer Fahrstrasse. Punkte abgeholt und kaum eine Stunde später sind wir wieder an unserem vorletzten Checkpoint. Jetzt aber wirklich runter ins Ziel. Die 6 Stunden werden wir heute wohl wieder ziemlich ausreizen. Wichtig ist, nicht zu überziehen, sonst droht Punkteabzug! Mit 5:43 kommen wir noch mit etwas Puffer ins Ziel… YEAH

Platz 15 von 37 Teams auf dem Longscore – für’s erste Mal völlig zufrieden mit dem Ergebnis und auch völlig zerstört, was die Muskulatur angeht….

Geiles Event

Der OMM Alps  ist einfach ein starkes Alpine Running oder doch eher Speed Hiking Event. Egal – wir kommen wieder. Kein Stau an einer Engstelle, keine schlecht markierten Wege, kein Gedränge. Natur pur. Anspruchsvolles Gelände! Und jede Menge Möglichkeiten, sich auszuschiessen. Einfach Perfekt.

Tag 1 – 6 Stunden 54 Minuten: 24,81km | 1303hm positiv – 2194hm negativ

Tag 2 – 5 Stunden 53 Minuten: 19,47km | 1034hm – 1498hm negativ

PS: 2021 OMM Alps Achensee

Unsere Lernkurve war offensichtlich steil. Weniger unsere Grundgeschwindigkeit als vielmehr Geschick bei der Routenwahl machten sich bei unserem zweiten OMM Alps (Mixed Kategorie, Long Score) bezahlt. Mal sehen, was 2024 in Garmisch passiert!

OMM Alps Achensee Podium - Foto: laufSinn

Wiegen und Testen

Ein Teil des Rennens besteht tatsächlich auch aus dem Sammeln des richtigen Materials. Es klingt nerdy – aber es ist schon erstaunlich, wie sehr sich zum Beispiel „lange Hose“ oder „langes Oberteil“ im Gewicht und Packmaß unterscheiden können. Barbara war mit knapp 6 kg unterwegs, Andreas mit knapp 7 kg. Das, finde ich, ist ein guter Wert. Gerade bergab macht sich der Rucksack ordentlich bemerkbar. Je schwerer, desto mehr Muskelarbeit – vorallem auch in den Beinen – wird zum abfangen benötigt.

Komfort gegen Gewicht

Aber ultralightweight ist nicht alles. Das leichteste meiner Laufshirts war zum Beispiel zu dünn, um die Schultern ausreichend vom Gurt des Rucksacks zu schützen. Da gab ich dann doch dem schwereren den Vorzug. Meine Isomattenvariante war deutlich leicht, aber auch über die Dauer der Nacht zu minimalistisch. Und schlechter Schlaf ist keine 50 Gramm Gewichtersparnis wert. Auch ausreichend Essen ist wichtig! Wer hier spart, büsst am zweiten Tag für seine Entscheidung. Perfekt, was unser Setting für den OMM Alps Lenzerheide mit einem Spiritusbrenner und abgemessener Treibstoffmenge (27 Gramm für 500ml kochendes Wasser). In der Tabelle seht Ihr unser Material aufgeschlüsselt. Dazu kommen noch Gels, Abendessen und 1 Liter Wasser für unterwegs. Und was auch immer Ihr an Luxus nicht missen möchtet.

Andreas Gewicht Barbara Gewicht
Gesamtgewicht 6,9 kg 6,1 kg
Regenhose OMM Halo Pant 80 gr inov-8 Racepant 197 gr
Regenjacke OMM Phantom 204 gr inov-8 Raceshell 255 gr
langes Oberteil Inov-8 Technical Mid HZ 174 gr Devold Running LS 137 gr
Mütze Inov-8 Race Ultra Skull 17 gr Gococo 29 gr
Handschuhe OMM Fusion Glove 46 gr Pearl Izumi 44 gr
Socken Woolpower Skilled Liner 30 gr inov-8 Speedsock Low 31 gr
Stirnlampe Silvas Trailrunner IV 134 gr Silva Trailrunner II 121 gr
Kompass 75 gr Eschenbach 70 gr
Schlafsack Raidlight 862 gr Salewa plus Seiden Inlet 904 gr
Erste Hilfe SwimRunners 18 gr „Eigenbau“ 85 gr
Biwacksack 122 gr LAC 106 gr
Zelt Big Agnes Tigerwall 790 gr Gestänge/ Heringe zum Zelt 364 gr
Stift + Zettel Papier und Bleistift, kurz 7 gr Papier und Bleistift 7 gr
Packsack, dicht Inov-8 Dry Bag 47 gr 2* (Silva / inov-8 Dry Bag) 70 gr
Wasser Dynafit Softflask 500ml 2* 58 gr Ötillö Brand 2* 500ml 56 gr
Kocher + Kessel x x Trangia 229 gr
Brennstoff Trangia Flasche (92 gr) + Spiritus 285 gr x x
Isomatte Eigenzuschnitt 82 gr Eigenzuschnitt 171 gr
Extra: Dynafit Daunenjacke 372 gr inov-8 Thermoshell 416 g

Andreas ist einer der Köpfe bei laufSinn. Er ist „brain“, Organisator und der Mann für alles, was hinter den Kulissen läuft. Als gelernter Einzelhändler kann er bei laufSinn endlich auch seine jahrelange Erfahrung und Freude am Ausdauersport (laufen, schwimmen, MTB) ausleben. Kaffee mit den Kunden trinken ist ebenso wichtig wie seine fundierte Beratung als Lauftrainer.